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Personalauswahl in Frankreich: Die Bedeutung von Allgemeinbildung beim Einstellungsverfahren und bei der Rekrutierung

Personalauswahl in Frankreich: Die Bedeutung von Allgemeinbildung beim Einstellungsverfahren und bei der Rekrutierung

Die französische Elitehochschule Science Po hat die Testverfahren zu Allgemeinbildung im Auswahlverfahren eingestellt. Aber ist die Verbannung von Voltaire, Stendhal, Aristoteles und Cicero aus den Eliteschulen nicht ein Verrat an Frankreichs Zukunft? Das fragen sich französische Intellektuelle. Noch ist die "Allgemeinbildung" in den französischen Elite-Schulen und in den Führungsetagen von ganz besonderer Bedeutung.

Eine sehr spezifische Personalauswahl in Frankreich

In den vergangenen fünf Jahren hat sich auch der öffentliche Dienst von den Allgemeinbildungs-Tests bei Einstellungsverfahren distanziert nachdem der französische Staatsminister für öffentliche Verwaltung den "sterilen Elitarismus" bei der Einstellung von Beamten beklagt hat: "Das Ziel der Allgemeinbildungs-Tests hat sich in eine falsche Richtung entwickelt. Es werden sehr komplizierte akademische Fragen gestellt, die nicht auf die eigentliche Eignung des Bewerbers für die Position schließen lassen. Wozu soll es dienen das Geschichts-Wissen eines Feuerwehrmanns zu testen?"

Bei der Sciences Po, an der ENA (École Nationale d'Administration) und bei den Elite-Hochschulen für Wirtschaft gehören die Tests zur Allgemeinbildung bei den meisten Auswahlverfahren seit langem zum Ritual. Meistens werden Fragen solcher Art gestellt: "Wird die Schönheit die Welt retten?" (École nationale de la magistrature, 2008), "Inwieweit kann die Republik Fortschritt zulassen und sich trotzdem dabei treu bleiben?" (ENA, 2004), "Ist die Einbildung die Freiheit des Denkens?" (Écoles de management, 2011). Die Kandidaten müssen einen langen Aufsatz verfassen, bestehend aus Einleitung, einem Hauptteil aus zwei oder drei großen Abschnitten und einer Schlussfolgerung. Diese Übung ist sehr verschlüsselt: Die Prüfer achten auf Stil, eine logische Gliederung und eingebrachte kulturelle Bezüge und Zitate großer Wissenschaftler.

Einen Aufsatz zur Allgemeinbildung gibt es aber nicht nur bei den Auswahlverfahren der Hochschulen, die die Eliten des Landes ausbilden: In Frankreich ist auch ein Großteil der Bewerber für öffentliche Ämter davon betroffen. Vor 5 Jahren sollte der schriftliche Aufsatz im Auswahlverfahren von Sekretärinnen für das Innenministerium "zu einem Thema zur generellen Ordnung ökonomischer, sozialer und kultureller Probleme in der heutigen Welt" verfasst werden: "Kann man heute sagen, dass eine Frau ein Mann wie jeder andere ist?".

Intellektuelle aus dem Ausland betrachten diese sehr französische Übung gleichsam amüsiert und sprachlos: Wenige können verstehen, dass ein Land seine Bediensteten und seine Elite danach aussucht, wenn es sie damit beauftragt, eine schriftliche Arbeit über die großen Ideen der Literatur, der Philosophie, der Geschichten oder der Kunst zu verfassen. Die schriftliche Arbeit über Allgemeinbildung beim Einstellungsverfahren ist typisch für Frankreich. In anderen Ländern werden die beruflichen Kompetenzen der Bewerber in Vorstellungsgesprächen geprüft und die zählen hier stärker als ihre akademischen Kenntnisse.

Ein Auswahlverfahren gegen die Globalisierung

Auch die Verantwortlichen der Elite-Management-Schulen sind der Auffassung, dass die Testverfahren zur Allgemeinbildung ein gutes Mittel der Vorauswahl sind und nicht nur, weil Unternehmen danach verlangen. "Die Allgemeinbildung ist für die Ausbildung von Führungskräften absolut notwendig," präzisiert Thierry Debay, Direktor für Zulassung und Auswahlverfahren der 25 Management-Schulen.

"Wie man eine Idee in einen Kontext einordnet, Urteilsfähigkeit und die Fähigkeit Ideen zu organisieren und zu strukturieren, das ist beispielsweise bei der Einführung eines Produkts sehr nützlich. Die Allgemeinbildung ist außerdem ein Gewinn in einer Welt, in der ein offener Geist geschätzt wird."

Die Allgemeinbildung scheint außerdem dafür wichtig zu sein, der immer stärker werdenden Überspezialisierung etwas entgegensetzen: Wenn man sich in verschiedenen Disziplinen auskennt und man über den Tellerrand der eignen beruflichen Kenntnisse schaut, erlaubt sie es der zunehmend technischer werdenden Welt etwas zu entfliehen.

Allerdings ist es so, dass die "Allgemeinbildung" in Frankreich keineswegs so allgemein ist, wie die Bezeichnung vermuten lässt: Große Wissensbereiche sind in diesem Begriff gar nicht enthalten.

Die Literatur, die Philosophie, die Geschichte und die Kunst werden deutlich bevorzugt, aber technische Wissenschaften, Soziologie, Anthropologie, Wirtschaftswissenschaften, Naturwissenschaften und Umweltwissenschaften werden dagegen mit einer gewissen Herablassung betrachtet. "Frankreich besitzt ein sehr elitäres und traditionelles Konzept der Allgemeinbildung, und nach diesen Kriterien werden die zukünftigen Chefs ausgewählt. Und die Missachtung der empirischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse ist wirklich bedauerlich: in einer Welt, wo Fragen zur Umwelt im Vordergrund stehen sollten, ist die naturwissenschaftliche Grundbildung nicht nur ein Detail!

Ein diskriminierender Auswahltest: Les bons codes

Der schriftliche Aufsatz zur Allgemeinbildung von Bewerbern ist, vom sozialen Standpunkt aus betrachtet, ziemlich diskriminierend. "So werden all jene aussortiert, die - vielleicht aufgrund ihrer sozialen Herkunft - die die richtigen "Codes" nicht kennen", erklärte 2008 der Staatsminister für öffentliche Verwaltung, André Santini. Das ist eine Form der unsichtbaren Diskriminierung. "Der öffentliche Dienst sollte eigentlich als 'sozialer Fahrstuhl' dienen, bei der Integration im Vordergrund steht und sich die Bevölkerung widerspiegelt." Viele Intellektuelle können dieser Ansicht nicht zustimmen - "Die Allgemeinbildung ist weder auf ein Land noch auf eine soziale Schicht beschränkt - aber die wissenschaftlichen Ergebnisse sind eindeutig: Der Aufsatz zur Allgemeinbildung hat eine große Bedeutung für die soziale Ausgrenzung."

Die französische Ausbildungssystem ist, das ist sicher, eine wichtige Ursache für soziale Ungleichheit: die letzte PISA Studie von 2009 hat gezeigt, dass, trotz der großen Diskussionen über Gleichheit vor dem Gesetz, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Umfeld eines Kindes in Frankreich schwerer wiegt als anderswo: Die auf der sozialen Herkunft basierenden Schwankungen erreichen in Frankreich 16,7 %, gegenüber von nur 6,2% in Island, 7,8% in Finnland, 8,6% in Kanada, 11,8 % in Italien, 13,7% in Großbritannien und 14,5 % in Dänemark.

Dass sich die Science Po unter der Leitung von Richard Descoigns durch die Abschaffung der Allgemeinbildungs-Tests für alle Gesellschaftsschichten geöffnet hat, war also ein wirklich notwendiger Schritt - in dreizehn Jahren hat sich hier der Prozentsatz der Kinder aus Arbeiterhaushalten verdreifacht, von 1,5 auf 4,5% -, ein Alter in dem sich aber das soziale Schicksal zum größten Teil schon entschieden hat. Oder wie es der Ex-Präsident der Konferenz der Elitehochschulen, Alain Cadix, bezeichnet: "Der soziale Fahrstuhl startet nicht im 15. Stock."

Weitere Informationen zu diesem Thema: Ranking der Ingenieurschulen in Frankreich