Kommunizieren mit Franzosen: Wie man unnötige Fettnäpfchen vermeidet

Sie bitten einen französischen Kollegen Sie bezüglich einer Projektarbeit, die Sie demnächst Ihrem Vorgesetzten präsentieren werden, um seine Meinung. Nach Durchsicht ihrer Arbeit lobt er diese und bestätigt Ihnen, dass sie hervorragend ist und er kaum Verbesserungsvorschläge hat. Sie freuen sich über diesen Erfolg und präsentieren Ihre Arbeit dem Vorstand. Erstaunlicherweise ist die Präsentation eine Niederlage und man wirft Ihnen eine mangelhafte Ausarbeitung vor.
Sie verstehen nicht, dass Ihr französischer Kollege sie nicht gewarnt hat - kennt er doch die Materie hervorragend. Er hat die Mängel in jedem Fall sehen müssen, weshalb hat er Sie nicht gewarnt? Oder haben Sie vielleicht etwas falsch verstanden?
Die Gründe hierfür liegen in den unterschiedlichen Kommunikationsmodellen beider Kulturen.
In Deutschland ist die Kommunikation direkt
Deutschland gehört zu den sog. Low-Context Kulturen (E.T. Hall). Low-Context bedeutet, dass der Inhalt einer Kommunikation nahezu komplett in Worten formuliert wird. Es gibt nur sehr wenige Informationen zwischen den Zeilen, oder Informationen, die nicht klar und deutlich ausgedrückt werden. Diese direkte, auch explizite Kommunikation erlaubt den Deutschen unter anderem auch nicht nur Kritik zu äußern, sondern auch offen über Schwächen und Probleme zu diskutieren und diese zielführend zu beheben ohne persönlich zu verletzen. Im Gegenzug erwartet man weitgehend auch konstruktives, direktes und ehrliches Feedback und weiß dieses ebenfalls sehr zu schätzen.
Der Franzose hingegen kommuniziert nicht nur mit Worten
Der französische Kulturkreis hingegen gehört zu den sog. High-Context Kulturen (E.T.Hall) und kommuniziert mittels vielfältiger Kanäle, in denen Mimik und Gestik eine Rolle spielen, aber insbesondere auch die Beziehung zum Gesprächspartner. So verfügen Franzosen oft schon vor Austausch von Worten über einen gemeinsamen Hintergrund, wie z.B. ihre aktuelle berufliche oder private Situation, eine Beziehung (hierarchisch oder emotional), gemeinsame Erfahrungen, ein geteilter Bildungshintergrund...u.v.m.
Diese Hintergrundinformation, über die meist alle Gesprächspartner verfügen (der sog. Kontext), bildet die Basis der Kommunikation. Da im Idealfall alle Beteiligten der Kommunikation über die gleichen Hintergrundinformationen verfügen und ihre Beziehung zu einander genauestens kennen, entfällt die Notwendigkeit, diese Informationen explizit zu erwähnen, weshalb man den französischen Kommunikationsstil auch als implizite Kommunikation bezeichnet. Das tatsächlich gesprochene baut auf dem gemeinsamen und vorausgesetzten Kontext auf und ist nur ein Teil der eigentlichen Kommunikation.
Für explizit kommunizierende Kulturen wie Deutschland bleibt somit ein großer Teil der zur Verfügung stehenden Information unausgesprochen und nicht zugänglich. Oder anders gesagt: man versteht irgendwie nur die Hälfte....


Französisches Kommunikationsmodell
5 Tipps wie Sie als Deutscher in Frankreich unnötige Fettnäpfchen vermeiden
- Hören Sie stets genau zu, seien Sie aufmerksam und geduldig. Oftmals stehen wesentliche Informationen zwischen den Zeilen und können bei genauerer Beobachtung und ein wenig Erfahrung entdeckt werden.
- Versuchen Sie Hintergrundinformationen über Ihre Gesprächspartner zu bekommen. Fragen Sie entweder danach oder versuchen Sie Informationen über Netzwerke zu generieren.
- Wenn Sie Zweifel daran haben, ob Sie den vollen Informationsgehalt erfasst haben, fragen Sie nach. Ein Ja ist manchmal doch ein Nein und entpuppt sich vielleicht erst durch mehrfaches nachhaken als solches.
- Versuchen Sie eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihren Gesprächspartnern aufzubauen. Dies erleichtert Ihnen den Zugang zu Informationen und bereitet den Weg für zukünftigen Austausch.
- Um Ungesagtes leichter zu interpretieren stellen Sie sich stets die Frage der 8 W: WER sagt WAS WIE WANN zu WEM, unter WELCHEN Bedingungen, WAS ist die Vorgeschichte, WAS passiert danach?
Mehr zu diesem Thema:
- Sylvia Schroll-Machl, Die Deutschen - Wir Deutsche. Fremdwahrnehmung und Selbstsicht im Berufsleben. 2002
- Richard D. Lewis, When cultures collide.Leading across cultures. 2006
- Olivier Meier, Management interculturel. Stratégie - Organisation - Performance. 2010
Constance Grunewald-Petschke, intercultural consultant
www.xpat-abroad.com

