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Zwischen Büro und Kita: Die stille Krise berufstätiger Eltern in Frankreich

Zwischen Büro und Kita: Die stille Krise berufstätiger Eltern in Frankreich

Zwischen Videokonferenz und Kinderarzttermin, zwischen Excel-Tabellen und vergessenen Pausenbroten – für viele französische Führungskräfte mit Kindern ist der Alltag ein permanenter Drahtseilakt.
Trotz flexibler Arbeitsmodelle geraten sie zunehmend unter Druck: Vereinbarkeit bleibt ein schönes Wort – die Realität ist eine andere. Eine neue Studie der Apec zeigt, wie tief das Problem reicht – und warum vor allem Mütter die Hauptlast tragen.

 



1. Wenn Kinder den Alltag bestimmen: Der unsichtbare Balanceakt der französischen Führungskräfte

1. Wenn Kinder den Alltag bestimmen: Der unsichtbare Balanceakt der französischen Führungskräfte

Der September in Frankreich beginnt nicht nur mit der "rentrée scolaire", sondern für viele Führungskräfte mit Kindern auch mit dem Gefühl, permanent hinterherzulaufen. Zwischen morgendlichem Schulstress, beruflichen Deadlines und dem Versuch, am Abend noch Zeit für die Familie zu finden, entsteht eine Dynamik, die wenig Raum für Erholung lässt.

Laut einer aktuellen Studie der Apec geben 37 % der Führungskräfte mit minderjährigen Kindern an, Schwierigkeiten zu haben, Beruf und Privatleben zu vereinbaren. Zum Vergleich: Unter kinderlosen Führungskräften sind es nur 27 %. Die Zahlen klingen nüchtern, doch sie spiegeln eine Realität wider, die viele Betroffene als täglichen Kraftakt erleben.

Besonders betroffen sind Eltern von Kleinkindern: Bei unter Sechsjährigen liegt der Anteil der Belasteten bei 45 %, so die Apec. In der Theorie verspricht das Statut „Cadre“ mehr Flexibilität – in der Praxis bedeutet es oft ständige Erreichbarkeit und Arbeitszeitverschiebungen, die das Leben nicht erleichtern, sondern zusätzlich erschweren.



2. Alltag unter Druck: Wenn Flexibilität zur Belastung wird

2. Alltag unter Druck: Wenn Flexibilität zur Belastung wird

Flexibilität ist in vielen französischen Unternehmen inzwischen zum Zauberwort geworden – gerade für Eltern. Laut Apec-Studie geben 84 % der Führungskräfte an, ihre Arbeitsorganisation sei bereits flexibel, und fast 70 % können ihre Arbeitszeiten frei anpassen. Auf den ersten Blick klingt das wie ein Gewinn.

Doch diese Flexibilität ist ein zweischneidiges Schwert. Denn was ursprünglich helfen sollte, Familie und Beruf zu vereinbaren, entwickelt sich für viele zur neuen Norm: E-Mails am späten Abend, Präsentationen am Wochenende, spontane Verschiebungen wegen schulischer Zwischenfälle – all das gehört längst zum Alltag. Die Erreichbarkeit endet selten mit dem Feierabend.

Ein Artikel im L’Express nennt das einen „stillen Fluch“ für Eltern in Führungspositionen. Tatsächlich geben laut der Apec-Umfrage 45 % der betroffenen Eltern an, unter anhaltendem Druck zu stehen – deutlich mehr als kinderlose Kollegen. Der Alltag wird zur Dauerbelastung, die eigene Zeit zur Ausnahme. Besonders tragisch: 45 % verzichten sogar auf Arzttermine, weil schlicht keine Lücke im Tagesablauf bleibt.



3. Mütter zuerst: Wer zahlt den höchsten Preis?

3. Mütter zuerst: Wer zahlt den höchsten Preis?

Die Vereinbarkeit trifft nicht alle gleich. Besonders Mütter sind von den Herausforderungen betroffen – und das in einem Land, das sich gern als progressiv versteht. Zwar geben Väter und Mütter ähnlich oft an, Schwierigkeiten bei der Balance zu erleben (37 % vs. 39 %), doch im Alltag ist der Unterschied spürbar.

Laut HelloWorkplace übernehmen Mütter deutlich häufiger die Last der alltäglichen Organisation:

  • 55 % der Mütter kümmern sich primär um Arzttermine der Kinder (gegenüber nur 22 % der Väter),
  • 50 % springen ein, wenn das Kind krank ist (gegenüber 18 %),
  • 43 % übernehmen die Notbetreuung bei Schulschließungen oder Ausfällen (gegenüber 21 %).

Die Folge: 14 % der Mütter in Führungspositionen arbeiten in Teilzeit – bei den Vätern sind es nur 3 %. Diese Entscheidungen werden selten leichtfertig getroffen, sondern entstehen aus der Notwendigkeit, das Familiensystem am Laufen zu halten.

Diese Doppelbelastung hat ihren Preis. Laut Apec fühlen sich 62 % der Mütter in Führungsrollen ausgebrannt – ein Wert, der sogar über dem von kinderlosen Kolleginnen liegt (56 %). Besonders alarmierend ist die Situation bei alleinerziehenden Müttern: Hier liegt der Wert bei 64 %.



4. Karriere oder Kinder? Warum viele Chancen verstreichen

4. Karriere oder Kinder? Warum viele Chancen verstreichen

Der Spagat zwischen Kind und Karriere hat nicht nur emotionale, sondern auch strukturelle Folgen. Eltern – insbesondere Mütter – müssen sich oft zwischen beruflichen Chancen und familiärer Stabilität entscheiden. Und viele entscheiden sich gegen die Karriere.

Laut Apec haben 31 % der Führungskräfte mit Kindern schon einmal auf einen Unternehmenswechsel verzichtet, weil die familiären Verpflichtungen nicht vereinbar waren. 13 % lehnten eine Beförderung ab – nicht aus Desinteresse, sondern aus realistischer Einschätzung ihrer Belastungsgrenze.

Auch informelle Karriereschritte – wie Networking-Events, spontane Meetings oder Afterwork-Treffen – bleiben häufig ungenutzt. 28 % der Eltern verzichten darauf regelmäßig, bei Eltern kleiner Kinder sind es sogar 20 Punkte mehr als bei kinderlosen Kollegen.

Was bleibt, ist ein Gefühl der Verlangsamung: Karriereziele werden aufgeschoben, Verantwortungsposten verpasst – nicht aus Mangel an Kompetenz, sondern weil der Kalender keinen Raum lässt. Eine Gefahr nicht nur für Einzelne, sondern auch für Unternehmen, die dadurch wertvolle Talente verlieren.

Die Realität französischer Führungskräfte mit Kindern ist komplexer als jede Hochglanzbroschüre über Work-Life-Balance. Flexibilität hilft, aber sie reicht nicht aus, um die strukturellen Herausforderungen zu kompensieren. Besonders Mütter zahlen einen hohen Preis für die vermeintliche Vereinbarkeit. Es braucht mehr als flexible Arbeitszeiten. Was fehlt, ist eine Kultur der Gleichverteilung von Verantwortung – im Unternehmen, aber auch in der Familie.

Mehr dazu:

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